Schwierig in der Theorie, einfach in der Praxis.

Kein Thema sorgt für mehr Gesprächs-, Diskussions- und Zündstoff im Bereich der Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Die Wissenschaft kommt immer wieder zu unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Erkenntnissen. Wie im Parteiensystem der Politik scheinen sich viele Wissenschaftler einer bestimmten Ernährungsweise zu verschreiben und ihre Forschung nur auf die Untermauerung dieser auszurichten. Es entstehen Gruppierungen, deren Erkenntnisse zum Thema Ernährung scheinbar nicht miteinander vereinbar sind, obwohl alle grundlegend dieselbe Frage beantworten wollen: Wie sollte sich der Mensch ernähren, um optimale gesundheitliche Ergebnisse zu erzielen.

Letztendlich führt die Uneinigkeit der Wissenschaft zu einer allgemeinen Verwirrung in der Gesellschaft. So kommt es zum Entbrennen hitziger Debatten am Esstisch mit Familie und Freunden über gesunde und „richtige“ Ernährung. Neben den vielen unterschiedlichen Erkenntnissen der Wissenschaft isst jeder Mensch (in den meisten Fällen) mehrmals täglich. Dies sorgt für einiges an Primärerfahrung, die oftmals dazu führt, dass wir unser eigenes Essverhalten als gut und richtig einstufen, sofern wir keine direkten negativen Konsequenzen erfahren. Wenn die Wissenschaft keine eindeutigen Ergebnisse liefert, bilden viele Ihre eigene Meinung.

Kurzum lässt sich mit ziemlicher Sicherheit die Behauptung aufstellen, dass die eine Ernährungsweise, die sich für jeden Menschen als optimal darstellt, nicht existiert. Selbst wenn die perfekte Ernährung und Lebensmittelauswahl in der Theorie realisierbar wäre, würden individuelle Vorlieben, Unverträglichkeiten, die Verfügbarkeit und Verarbeitung der Lebensmittel, sowie deren Kosten die Umsetzung in der Praxis für die meisten unmöglich machen.

Dementsprechend benötigen wir einfache Richtlinien, die im Alltag umsetzbar sind und individuell angepasst werden können. Müsste vor jedem Einkauf und jeder Zubereitung einer Mahlzeit erst langwierig analysiert werden, ob es sich um die richtige Auswahl und Zusammenstellung der Lebensmittel handelt, bliebe wenig Zeit für andere Dinge. Auch soll das Thema nicht zur unliebsamen Aufgabe werden. Ernährung muss möglichst einfach und umsetzbar sein. Sonst wird sie ihr primäres Ziel der Verbesserung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit langfristig verfehlen. Kontinuität ist entscheidend und diese kann nur gegeben sein, wenn die Ernährungsweise für das Individuum durchführbar ist und es letztendlich auch schmeckt.

Glücklicherweise liefert die Wissenschaft nicht nur gegensätzliche Ergebnisse. Einige Erkenntnisse sind vielfach und interdisziplinär bestätigt. Daraus können Ableitungen getroffen werden, die als Grundlagen einer gesunden Ernährung herangezogen und im Anschluss individuell auf die einzelne Person und ihre Situation angepasst werden können. Hierfür folgen vier Prinzipien, die als hilfreiche und zielführende Anhaltspunkte Anwendung finden sollten.

Unverarbeitet.

Die einfachste und wichtigste Frage, die man sich bei der Betrachtung eines Lebensmittels stellen sollte lautet: Inwieweit entspricht es noch seiner ursprünglichen Form oder vereinfacht gesagt, sieht es beim Einkauf so aus, wie es aussehen sollte? In der Obst- und Gemüseabteilung fällt dies einfach. Ein Apfel ist ein Apfel, eine Tomate ist eine Tomate und eine Kartoffel ist eine Kartoffel. Enthält des Lebensmittel keine weiteren Zutaten, ist es unverarbeitet und uneingeschränkt zu empfehlen. An der Fleischtheke muss schon differenziert werden. Ein Stück vom Rind ist etwas anderes als Wurst. Auch wenn diese dem gleichen Tier entspringt. Neben dem Fleisch an sich kommen hier weitere verarbeitende Maßnahmen und Zutaten hinzu. Die Betrachtung der Zutatenliste ist bei der Bewertung von Lebensmitteln eine zielführende Herangehensweise. Je mehr Zutaten, desto höher der Verarbeitungsgrad. Sobald chemische Formulierungen hinzukommen, die isoliert betrachtet kein Lebensmittel darstellen, wird es eindeutig: Hierbei handelt es sich nicht um gesundheitsförderliche Nahrung.

Etwas schwieriger fällt die Differenzierung bei Produkten, die eine kurze Zutatenliste aufweisen, die ursprüngliche Form der Zutaten jedoch nicht mehr besteht. Als Beispiel ziehen wir Olivenöl heran. Ein prinzipiell tolles Lebensmittel mit vielen gesundheitsförderlichen Eigenschaften. Wir müssen uns jedoch auch vor Augen führen, dass für die Herstellung eines Liters, je nach Sorte, 5 bis 10 Kilogramm Oliven benötigt werden. Eine beachtliche Menge. Bei der Zubereitung eines Gerichts mit 100ml Olivenöl würde dies 0,5 bis 1 kg Oliven entsprechen. Niemals würden wir diese Menge in ihrer ursprünglichen Form zu uns nehmen. Als Öl fällt dies verhältnismäßig leicht. Hinzu kommt, dass es sich nur um den energiereichen Fettanteil der Olive handelt. Die anderen sättigenden Bestandteile (Ballaststoffe, Flüssigkeit, Fruchtfleisch etc.) wurden bei der Herstellung entfernt. Wie gesagt ist Olivenöl eine großartige Wahl, jedoch sollte bei der Dosierung immer betrachtet werden, welcher Menge an Oliven dies in ihrer ursprünglichen Form entspricht und ob man auch diese Menge zu sich nehmen würde. Jene Herangehensweise ist bei allen leicht verarbeiteten Lebensmitteln mit einer kurzen Zutatenliste zu empfehlen. Als zusätzliche Faustregel bei der Auswahl von leicht verarbeiteten Lebensmitteln können drei Zutaten pro Lebensmittel als Obergrenze gelten, wenn es sich dabei um natürliche Zutaten handelt.

Wird nun darauf geachtet, dass mindestens 80% der insgesamt konsumierten Kalorien unverarbeiteten oder leicht verarbeiteten Lebensmitteln (unter Anbetracht der jeweiligen Dosierung) entspringen, trifft man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gute Entscheidungen.

Rotation.

Es könnte alles so einfach sein. Jeder, der das Thema Ernährung für sich schon einmal beleuchtet hat, wird einige unverarbeitete Lebensmittel kennen, mit denen er eine schmackhafte Mahlzeit zubereiten kann. Diese Mahlzeit könnte nun 3 mal täglich, 7 Tage die Woche gegessen werden und jedes Mal würde es sich um eine tolle Auswahl an Lebensmitteln und eine gesunde Mahlzeit handeln.

Zunächst jedoch, würde die kulinarische Eintönigkeit dafür sorgen, dass eben jenes Gericht mit jeder Mahlzeit weniger schmackhaft erscheint. Darüber hinaus wird mit ziemlicher Sicherheit auch das durchdachteste Rezept nicht alle für eine optimale Körperfunktion nötigen Mikro- und Makronährstoffe enthalten. Um der Eintönigkeit und dem schwindenden Appetit zu entgehen, sowie ausreichend mit Nährstoffen versorgt zu werden, sollte die gleiche Mahlzeit maximal dreimal wöchentlich eingenommen werden. Eine Rotation von Mahlzeiten und Lebensmitteln beugt zusätzlich Allergien und Unverträglichkeiten vor. Es darf und sollte also gerne neues ausprobiert werden.

Eiweiß.

Eiweiß, vielmehr dessen Bausteine, die Aminosäuren, sind der Stoff aus dem wir sind. Zellen, Muskeln, Drüsen, Sehnen, Organe und unsere DNA sind nur eine Auswahl an Geweben und Strukturen, die primär aus Aminosäuren bestehen. Auch bei Hormonen, Neurotransmittern, Peptiden etc. handelt es sich im Endeffekt zumeist um Eiweißbausteine. Für gesunden und leistungsfähigen Körper bedarf es somit einer entsprechend ausreichenden Zufuhr.

Bei der Frage nach der ausreichenden bzw. optimalen Eiweißversorgung besteht im Bereich der Wissenschaft wieder mal einiges an Uneinigkeit. Dies hängt zum Teil damit zusammen, dass unterschiedliche Populationen mit einem unterschiedlichem Bedarf miteinander verglichen werden. Da wir uns an der Verbesserung der Gesundheit, sowie der körperlichen und mentalen Leistungssteigerung orientieren, sollte unser Blick auf Personen und deren Proteinzufuhr gerichtet sein, die damit offensichtlich erfolgreich sind.

Führt man diese Erfahrungswerte mit den Erkenntnissen der Wissenschaft zusammen, lässt sich sagen, dass eine Person die geistig und körperlich aktiv ist, täglich mindestens 2g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen sollte. Dabei haben das jeweilige Alter, das Geschlecht, die Anforderungen im Alltag, im Beruf und im Sport grundsätzlich einen großen Einfluss auf den individuellen Bedarf. Als Faustregel gilt, dass jede Mahlzeit einen mindestens faustgroßen Nahrungsmittelbestandteil beinhalten sollte, der primär aus Eiweiß besteht. Darüber hinaus darf es gerne mehr sein. Solange keine Erkrankung der inneren Organe vorliegt, ist eine erhöhte Proteinzufuhr absolut unbedenklich und in den meisten Fällen stark zuträglich.

Wohlbefinden.

Nicht zuletzt steht das Wohlbefinden nach den Mahlzeiten im Vordergrund. Es ist für niemanden nützlich ein Lebensmittel zu konsumieren das den bisher genannten Prinzipien entspricht, dann aber aufgrund von Unverträglichkeiten oder sogar Allergien für Unwohlsein sogt. Um die individuelle Verträglichkeit auf einfache Weise bestimmen zu können, ist eine Skala von 1 (ich fühle mich unwohl und habe keine Energie) bis 10 (ich fühle mich bestens und bin voller Energie) hilfreich. Etwa eine Stunde nach den Mahlzeiten sollte das eigene Wohlbefinden auf dieser Grundlage evaluiert werden. Handelt es sich bei der Bewertung um eine 8 oder mehr, wurde eine gute Ernährungsentscheidung getroffen. Bei einer 7 oder weniger gilt es die verwendeten Lebensmittel anzupassen und zu optimieren.

Das magische Viereck.

Abschließend fassen wir die vier genannten Prinzipien zur Verinnerlichung zusammen:

Unverarbeitet – Das Lebensmittel entspricht seiner ursprünglichen Form und Zusammensetzung.

Rotation – Dieselbe Mahlzeit wird maximal 3 Mal pro Woche eingenommen.

Eiweiß – Jede Mahlzeit enthält mindestens einen faustgroßen Eiweißbestandteil.

Wohlbefinden – Nach einer Mahlzeit wird das Wohlbefinden mit einer 8 oder höher bewertet.

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